Es waren vor allem zwei Stories, die in den letzten beiden Wochen meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben: zunächst verkündete Facebook, dass es die Kontrolle über den auf die Plattform hochgeladenen User-Content verschärft. Hintergrund waren massive Proteste großer Werbekunden, deren Suggested Posts neben zweifelhaftem Bildmaterial aufgetaucht war. Auf der anderen Seite ließ Pinterest verlautbaren, dass man die restriktive Policy keinerlei Nacktaufnahmen zu dulden, künftig zugunsten größerer künstlerischer Freiheit lockern wird. Auch Yahoo versicherte unmittelbar nach der Übernahmeankündigung von Tumblr, dass man sogenannten „adult content“ nicht von der Plattform entfernen wird.
Zwei gegensätzliche Entwicklungen, die das Dilemma von Social Media Plattformen sehr gut aufzeigen. Sie bewegen sich zunehmend auf einem sehr dünnen Grat zwischen dem Bedürfnis ihrer Usergemeinde Social Trends ohne Einschränkungen Ausdruck geben zu können auf der einen sowie einer angemessenen Kontrolle auf der anderen Seite. Hinzu kommt, dass Facebook, Pinterest, Twitter, Tumblr & Co kommerzielle Interessen verfolgen. Facebook wird in diesem Jahr rund 4,5 Mrd. Euro an Werbeinnahmen erzielen. Und es ist definitiv ein großes Spannungsfeld entstanden zwischen dem, was Werber gerne möchten und kompletter Ausdrucksfreiheit der Anwender. Ist die Zensur für den User zu deutlich spürbar, wird er die Plattform verlassen. Fehlt die Kontrolle, springen Werbekunden ab.
Kein Unternehmen möchte im Umfeld kontroversen Contents werbetechnisch präsent sein, was aber anstößig, beleidigend, frauenfeindlich oder diskriminierend ist lässt sich nicht in einer allgemein gültigen Definition klären. So hat auch ein Richter des US Supreme Court 1964 den berühmten Ausspruch zum Thema Pornographie getätigt, er könne es nicht definieren, erkennt es aber, wenn er es sieht…
Eine Herausforderung ist auch die technologische Umsetzbarkeit von Kontrollmechanismen. Während Google oder Yahoo in der Lage sind Algorithmen zu definieren, die ungünstige Konstellationen ausschließen – Immobilienanzeigen etwa würden niemals neben Tornadoberichterstattungen platziert – so haben Social Media Plattformen diese Option nicht. Ihr Content ist von den Anwendern kreiert und ändert sich jede Sekunde. Zudem werden die Inhalte „old school“ von Menschen überwacht und das ist derzeit nur grob stichpunktartig realisierbar. Und ob es in absehbarer Zeit gelingt Algorithmen zu entwickeln, die beispielsweise anstößig von satirisch unterscheiden können, ist fraglich.
Dies alles führt letztlich zu der großen Frage, welches Gut letztlich höher einzuschätzen ist: dass der Freiheit oder dass der wirksamen Kontrolle.
Ein generelles Thema des Internetzeitalters, dass die Gemüter seit langem spaltet. Bislang haben sich restriktive Kontrollmaßnahmen oder –versuche nur durch eines ausgezeichnet: Unwirksamkeit. Freiheit lässt sich nicht so einfach minimieren. Wird die Zensur und Kontrolle irgendwo zu stark wird sie eine andere Plattform suchen und finden. Deshalb greifen Maßnahmen aus der Vor-Web-Ära nicht. Neue Ansätze sind gefragt und vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch etwas mehr Gelassenheit.