Das Thema Diversität ist in aller Munde. Auch immer mehr Unternehmen setzen sich für ein vorurteilsfreies Miteinander im Arbeitsalltag ein. Gute Gründe gibt es dafür viele. Bei der Umsetzung eines bunten und produktiven Teams nimmt das Recruiting eine zentrale Rolle ein. Aber was gilt es zu beachten, damit wir Talente nicht ausgrenzen? Welche Rolle spielen die „Unconcious Biases“? In diesem Beitrag rund um Diversity im Recruiting geben wir Tipps, wie du Diversitäts-Hürden überwinden und Beurteilungsfehler bei der Employee Journey vermeiden kannst.
INHALT
Gelebte Vielfalt – nur Buzzword, wenig Realität?
Neue Talente wie Mitarbeitende dürfen nicht aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Hautfarbe, gesundheitlichen Einschränken oder anderen Merkmalen nachteilhaft behandelt werden. Leider klaffen Wunsch und Wirklichkeit in manchen Bereichen der Arbeitswelt noch sehr auseinander:
- In Deutschland besteht immer noch ein Gender Pay Gap von 18 % (unbereinigt).
- Bei der Frauenquote in Vorstandsreihen der DAX/M-/S-DAX-Unternehmen gab es zwar in 2023 einen Höchststand, aber vier von zehn Vorstandsgremien sind immer noch ausschließlich von Männern besetzt.
- Starke Ausgrenzung am Arbeitsmarkt erfahren Menschen zudem aufgrund ihres Alters. Eine Studie von Indeed zeigt, dass Altersdiskriminierung (Ageismus /engl. Ageism) auch im Recruiting weit verbreitet ist.
Die (unbewussten) Hürden für mehr Vielfalt
Unwissenheit, Unsicherheit und die Unconscious Biases sind oftmals große Hürden für mehr Chancengleichheit und eine bunte, offene Teamstruktur. Unter Unconcious Biases versteht man Wahrnehmungsverzerrungen oder Vorurteile, denen wir uns nicht bewusst sind. Unser Gehirn trifft sozusagen eine Art „Vorauswahl“ aufgrund unseres Erfahrungsschatzes, einer kulturellen Zuordnung, unserer Erziehung, möglicherweise auch unserer Medienauswahl. Knapp 200 Biases sind bekannt, darunter
- Beauty-Bias: Erscheint eine Person als „schön“ werden ihr positive Eigenschaften zugeschrieben oder Fähigkeiten aberkannt
- Halo- und Horns-Effekt: Eine besondere Eigenschaft überstrahlt – positiv wie negativ – alle weiteren Eigenschaften
- Mini-Me-Effekt: Personen, die einem selbst ähnlich sind (z.B. in Bezug auf das Alter oder auf den Werdegang), erscheinen direkt sympathischer und ihnen werden positive Eigenschaften zugeschrieben.
Diese Art von Voreingenommenheit kann dazu führen, dass wir – gerade in Recruitingprozessen – Entscheidungen aufgrund von Annahmen und Stereotypen treffen, anstatt einer objektiven Datenlage. Bei abweichender Normvorstellung besteht die Gefahr, vorschnell zu urteilen und möglicherweise nicht immer die richtige „vielfältige“ Personalentscheidung zu treffen.
Wie realisierst du mehr Diversity in deiner Arbeitsumgebung?
Im nachfolgenden Abschnitt findest du fünf Tipps, wie du Diskriminierung in deinem Bewerbungsprozess vermeidest und deine Employer Brand rund um die Themen Diversity & Inclusion (D&I) schärfst.
1. Inklusive Stellenanzeigen
,Jobausschreibungen sind für viele Talente der erste Touchpoint zum Unternehmen und ein wichtiges Aushängeschild für deine eigenen Diversity-Bemühungen. Deshalb achte bei der Text- und Bildsprache stets auf den Vielfaltsgedanken:
- Verwende geschlechtsneutrale Bezeichnungen: Sie fördern, dass sich weibliche / non-binäre Talente stärker angesprochen fühlen, als wenn du in deiner Stellenanzeige zu viele männlich codierte Wörter verwendest wie beispielsweise „leistungsstark“, „Risiko“, „ehrgeizig“. Weiblich codierte Begriffe sind zum Beispiel „Ehrlichkeit“, „Empathie“ und „Engagement“. Für eine kostenlose Überprüfung bietet beispielsweise Stepstone den Genderbias-Decoder an und gibt dir Alternativen für eine ausgewogene Wortwahl in deiner Jobanzeige.
- Überprüfe deine Stellenbezeichnung: Seit 2017 besteht rechtlich die Option zum Eintrag eines dritten Geschlechts. Seitdem ist die Klammer (m/w/d) üblich, aber vielleicht nicht die beste Option. Allein die Veränderung der Reihenfolge nach dem Alphabet (d/m/w) signalisiert, dass du nicht zuerst an männliche Bewerber denkst. Weitere, genderneutrale Optionen sind „all genders welcome“, eingedeutscht „gn“ oder einfach „Mensch“.
- Erlaube den Bewerber*innen die Zusendung ihrer Kurzprofile ohne Angaben persönlicher Merkmale.
- Verzichte auf die Angabe eines Gehaltswunsches, da dies die Gefahr des Gender Pay Gaps birgt. Falls du keine fixe Gehaltsangabe machen möchtest, könntest du Gehaltsbänder nennen. Diese schaffen Transparenz und Vertrauen und adressieren besser deine Fokusgruppe.
- Zeige die Recruiting-Hauptansprechpartner*innen mit Namen und Bild. Sie sind oftmals die ersten Markenbotschafter zu deinen neuen Talenten.
2. Blindes Screening & strukturierte Interviewprozesse
Strukturierte Prozesse sorgen für mehr Objektivität als ein reines Bauchgefühl: Verwende für jede Bewerberrunde die gleichen jobspezifischen Leitfäden / Fragebögen. Zudem kannst Du z.B. bei der ersten Kennenlernrunde ein Telefonat führen, anstelle eines Webmeetings und so dazu beitragen, dass du dich für „den ersten Eindruck“ mehr auf die Leistungen und Erfahrungen deines Talents konzentrierst.
3. Policies, Leitfäden und Spielregeln
Erarbeite und überprüfe Richtlinien, Leitfäden und Hausordnungen nach D&I Gesichtspunkten. Schriftliche Dokumente sind verlässliche Nachschlagewerke und geben deinem gesamten Team sowie potentiellen Neueinsteiger*innen (rechtliche) Sicherheit und Orientierung.
4. Sensibilisierung und Schulung deines Teams
Die schönsten ausformulierten Leitfäden helfen jedoch nichts, wenn sie nicht von innen heraus gelebt werden. Größte Stellschraube für mehr Vielfalt bleiben die Menschen selbst im Unternehmen. Deshalb sensibilisiere und schule Dein gesamtes Team und speziell dein Recruiting-Team.
5. Employer Branding
Mache dein Engagement auf deiner Hompage, Karriereseite, in Newslettern und Corporate Blogs sowie auf Social Media sichtbar. Neben deinem Wertekodex und einem Diversity Statement könnten auch Selbstverpflichtungen wie die Charta der Vielfalt und Zertifikate wie der Pride Index glaubwürdige Belege für dein Team, für potenzielle neue Talente, aber auch für Investoren sein.
Diversity in Progress: Reise zur Förderung einer vielfältigen Arbeitswelt
Beim Thema Diversity ist sprichwörtlich der Weg das Ziel. Wie bei jeder langen Reise erleben wir i.d.R. hierbei herrliche Highlights (vielleicht in Form einer idealen Besetzung oder einem verbesserten Gemeinschaftsgefühl), aber auch diverses Stolperfallen (wir hatten Gehaltswünsche bis vor kurzen auch noch in der Jobanzeige). Mit Neugier, Sensibilität und der Einsicht für das ein oder andere Scheitern, klappt das nächste D&I-Etappenziel.
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Bücher & weiterführende Links:
Vielfalt im Employee Lifecyle / Springer Gabler Verlag
Gender und Diversity in Organisationen / Springer Gabler Verlag