Leuchtschrift

Next12 – von Dividuen in der post-digitalen Ära…

Bereits zum siebten Mal war die NEXT Konferenz am 8. und 9. Mai Treffpunkt für Agenturen, Unternehmen, Medien, Kreative, Entwickler und Kommunikationsprofis der digitalen Industrie und residierte dabei zum dritten Mal in Folge in der hippen Hauptstadt Location Station-Berlin. Ein erster kurzer Blick durch die Nachberichterstattung offenbart wenig enthusiastische Kommentare aus der Szene: zu Marketing-lastig, zu wenig innovativ, kaum interessante Redner, fehlende Persönlichkeiten von Key Playern wie Facebook oder Twitter. Für Flutlicht war es die erste NEXT, von daher fällen wir unser Urteil befreit von Vergleichen zu Vorgängerkonferenzen oder ähnlich gearteten Veranstaltungen wie die re:publica.

Zunächst einmal kann man natürlich bemängeln, dass das Konzept der Veranstaltung mit einleitenden Keynotes und anschließenden parallelen Vortragsreihen und Workshops nicht den Innovationspreis gewinnen wird. Wir empfanden die Übersichtlichkeit und Strukturiertheit allerdings eher als angenehm. Man konnte den Tag gut planen und die für sich interessantesten Themen herauspicken. Überhaupt war die Atmosphäre in dem ehemaligen Postgüterbahnhof in der Luckenwalder Straße sehr entspannt und freundlich. Fand man auf einigen Vorträgen keinen Sitzplatz mehr, besorgte man sich einfach einen Cube aus der großzügigen Mittelhalle.

Um es vorwegzunehmen: das große „Aha-Erlebnis“ gab es für uns während der beiden Konferenztage nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir uns tagtäglich mit zukunftsorientierten Technologiethemen auseinandersetzen. Aber sowohl die Kernthese der Veranstaltung – Post Digital – noch Themen wie das Internet der Dinge, Mind-Control, Voice Recognition oder Gaze Interaction waren neu für uns. Und auch Augmented Reality und Robotics Demonstrationen durften wir schon häufiger hautnah miterleben. Insofern war es interessanter für uns zu erfahren, wie Produkt- und Industriedesigner Kreativ- und Implementierungsprozesse starten und wie groß die Herausforderungen sind von einer Idee zu einem Produkt und schließlich einem eigenen Business zu gelangen. Sehr lebendig plauderte hier die französische Designerin und Unternehmerin Alexandra Deschamps-Sonsino aus dem Nähkästchen.

Insgesamt müssen sich allerdings viele der Vorträge den Vorwurf gefallen lassen, etwas zu sehr das Marketing und zu wenig die Vision in den Vordergrund gerückt zu haben. Dies gilt auch für die einleitende Keynote des Hauptsponsors Deutsche Telekom. CEO René Obermann begann sympathisch und launig zu erläutern, weshalb wir uns längst in der Post-Digital Ära befinden, glitt dann aber in eine Launch-Präsentation ab, die besser auf einer DTAG Pressekonferenz aufgehoben gewesen wäre.

Dennoch konnten wir einer ganzen Reihe durchaus spannender Vorträge lauschen, wie etwa Michael Breidenbrücker der Firma RjDj – er präsentierte so ziemlich als einziger mit einem Smartphone – die unser Musikerlebnis mit ihren Apps revolutionieren möchte. Oder die Experten der Esslinger Firma Festo, die mit beeindruckender Robotertechnologie auf der Hauptbühne aufwarteten – man hätte ihnen nur zusätzlich ein klein wenig mehr Rhetoriktalent gewünscht;-) Selbiges gilt für den Historiker George Dyson, der einen spannenden Blick zurück auf die Entstehungsgeschichte von Computer und Internet warf. Auf Dauer wahr ihm aber leider etwas schwer zuzuhören.

Überhaupt variierte die Qualität der Vorträge hinsichtlich ihrer Darbietung enorm. Vielleicht lag es auch daran, das komplett in Englisch präsentiert wurde und so mancher Speaker hier vor zu hohen Sprachbarrieren stand.

Wie man unabhängig von Inhalten Zuhörer fesseln kann, machte der schwedische Autor, Künstler und Philosoph Alexander Bard vor. Auf einer altmodischen Tafel exerzierte das ehemalige Mitglied der Popgruppe Army of Lovers er eine wilde Achterbahnfahrt mit weißer Kreide, in der er kurzerhand unser bestehendes Geschichtsbild für Unsinn erklärte und forderte, Geschichte auf die aktuellen Bedürfnisse umzuschreiben. Überhaupt bestehe die Menschheitsgeschichte aus Informationszeitaltern – wir leben derzeit in der Internetära – in der die Massenmedien aus der vorhergehenden Buchdruckära überflüssig geworden sind. Auch die Persönlichkeitsstrukturen haben sich verändert. Statt eines Individuums entwickeln junge Menschen heute viele unterschiedliche Egos und werden so zu Dividuen. Ob das alles Sinn macht? Nicht unbedingt. War es unterhaltsam? Absolut.

Unser Fazit: der Ausflug auf die Next war kurzweilig, in großen Teilen unterhaltsam und inhaltlich zumindest punktuell interessant. Ob wir im kommenden Jahr wieder mit dabei sind? Vielleicht. Berlin ist jedenfalls immer eine Reise wert;-)

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