Zugegeben, wir waren uns nicht ganz sicher, ob wir uns mit diesem Thema auf´s Glatteis begeben. Aber wir beobachten seit einiger Zeit eine wachsende Migration ehemaliger Journalisten auf die „andere Seite“ – nämlich in die PR- oder Presseabteilungen von Unternehmen oder aber als PR-Mitarbeiter in entsprechende Agenturen.
Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass das Interesse nach wie vor groß ist. Nicht verwunderlich in Zeiten, in denen die Medienbranche einen enormen Umbruch erlebt, Redaktionen sich radikal umstrukturieren oder gar neu erfinden müssen und Redakteure aus wirtschaftlichen Gründen auf der Strecke bleiben. Die wenigsten können sich einen kompletten beruflichen Neustart zeitlich oder finanziell leisten. Deshalb ist ein Quereinstieg in die angrenzende PR-Branche oftmals eine nahe liegende, relativ schnell realisierbare und scheinbar perfekte Alternative – Presse-Know-how und Netzwerk sind ja vorhanden.
Hier möchten wir jedoch auf einige Punkte aufmerksam machen, die potenzielle neue Kollegen von der „anderen Seite“ bei ihrer Neuorientierung in der PR beachten sollten. Erstens, weil der Begriff PR häufig und fälschlicherweise mit Pressearbeit gleichgesetzt wird. Zweitens, weil wir glauben, dass sich nach wie vor viele Pressevertreter/innen ein sehr unvollständiges Bild vom Arbeitsalltag eines PR-Managers oder -Beraters machen. Und drittens, weil wir wissen, dass noch kein/e gute/r PR-Mann/Frau vom Himmel gefallen ist und ein PR-Profi eine breite Palette an Handwerkszeug, Soft-Skills und umfassende Expertise mitbringen muss, um langfristig erfolgreich und glücklich in seinem Job zu sein.
PR ist nicht gleich Pressearbeit
PR bedeutet Public Relations oder Öffentlichkeitsarbeit und beinhalten eine Menge von Disziplinen, die ein PR-Beauftragter beherrschen muss. Pressearbeit oder Media Relations sind nur ein Teilbereich der PR, der noch bis vor ein paar Jahren – insbesondere vor der Social Media Ära – das Herzstück vieler Unternehmens-PR-Abteilungen und PR-Agenturen darstellte. Auch neigen viele PR-Leute immer noch dazu, sich via Pressearbeit zu definieren bzw. sich darauf zu reduzieren – etwa weil der PR-Fokus im Unternehmen auf Media Relations liegt oder aber, weil das Leistungsportfolio einer so genannten PR-Agentur sich bei genauerem Hinsehen doch „nur“ auf den Bereich Pressearbeit beschränkt. Man darf sich also nicht wundern, wenn man als PR-Unternehmensabteilung oder -Agentur von den Medienvertretern entsprechend fokussiert wahrgenommen wird.
Darüber hinaus bekommen Redakteure ja in der Regel nur diesen kleinen Ausschnitt unserer Arbeit mit. Neben Media Relations bedeuten PR aber auch strategische Kommunikationsberatung und Konzeption, Interne Kommunikation, Krisenkommunikation, Coaching, Umsetzung von Events, Speakers Placement, Social Media Consulting, Monitoring, Evaluation und vieles mehr.
Ein ehemaliger Fisch weiß am besten, was den anderen Fischen schmeckt
Wer könnte sich besser in seine Zielgruppe hineinversetzen als der Redakteur selbst? Die uralte PR-Weisheit „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“ trifft für klassische Media Relations nach wie vor zu. Wer also, wenn nicht ein erfahrener Journalist, könnte besser beurteilen, welche Art von Information seine Kollegen in welcher Form besonders attraktiv finden. Ein versierter Journalist kann sofort auf Handwerkszeug zugreifen, das jeder gute Pressearbeiter im Portfolio haben sollte – etwa die Newsrecherche im Unternehmen und deren Beurteilung hinsichtlich Medienrelevanz, eine qualitätsvolle Aufbereitung in Text-Form, Storytelling usw. Ein Journalist sollte wissen, wie man mit den Medien spricht – nämlich so, wie er selber gerne von Unternehmens-PR- und Agenturmitarbeitern adressiert worden ist. Er ist also theoretisch der perfekte Mann für Content und für dessen Vermittlung –im Idealfall für „traditionelle“ und für Social Media Inhalte.
Einige Schlüsselqualifikationen machen noch keinen PR-Profi
Journalisten bringen also zweifelsohne einige wesentliche Voraussetzungen und erfolgsentscheidende Qualifikationen für einen guten Pressearbeiter mit. Allerdings ist einschlägiges journalistisches Know-how nicht automatisch der Schlüssel zum Erfolg. Gefragt sind auch Qualitäten in der Kundenberatung, Kommunikationsfreudigkeit und Überzeugungsfähigkeit, Kreativität, Konzeptionsstärke, Organisationstalent und vieles mehr. Nichtsdestotrotz – die Zeichen für einen Einstieg/Umstieg in die PR stehen gut, denn auf Unternehmens- und Agenturseite wächst mit dem steigenden Bedarf an Content die Nachfrage nach entsprechend professionellen Content-„Providern“.
Es empfiehlt sich jedoch, Stellenbeschreibung und Erwartungshaltung der potenziellen Arbeitgeber auf Unternehmens- oder Agenturseite genau unter die Lupe nehmen. Wir haben deshalb nachfolgend einige Fragen zusammengestellt, die helfen können, ein potenzielles Jobangebot einer PR-Agentur in Bezug auf das eigene Profil und eigene Erwartungen besser zu beurteilen.
Unser Fazit: Probiert es, wenn Euch die PR reizvoll erscheint! Seid aber bereit, unter Umständen noch viel dazu zu lernen. Ein dickes Startkapital bringt Ihr auf alle Fälle mit…
Checkliste – Arbeitgeber: PR-Agentur
Entspricht das Leistungsportfolio der Agentur dem einer „echten“ Full-Service PR-Agentur oder eher einer Presseagentur?
Ist die Agentur spezialisiert oder bietet sie Leistungen für viele unterschiedliche Branchen?
Wieviele Mitarbeiter und welche Kernzielmärkte hat die Agentur?
Ist die Agentur Fullfillment-Center oder Kommunikationsberater?
Sind in der Agentur eher Allrounder oder Spezialisten beschäftigt?
Wird ein PR-Redakteur, ein Manager für Media Relations oder ein klassischer PR-Berater gesucht?
Davon abhängig: kann ich regelmäßig Außenkontakte wahrnehmen und mein berufliches Netzwerk weiterpflegen?
Wie sind die Kundenteams organisiert?
Bietet die Agentur Entwicklungsmöglichkeiten und Förderprogramme – kann ich zusätzliches Know-how in klassischen PR-Disziplinen oder im Bereich Social Media erwerben?
Bietet die Agentur internationale Kontakte bzw. ist sie international aufgestellt? Ist sie unabhängig oder gehört sie einem Netzwerk an?